Am 30. August 2023 referierte der Reichsbürger-Experte Oliver Gottwald im Neuen Rathaus zum Thema „Reichsbürger in Hessen“.

Nach dem Grußwort von Oberbürgermeister Wagner gab Oliver Gottwald zunächst einen Überblick darüber, was Reichsbürger sind, woran sie glauben, ihre Verbindungen zum Rechtsextremismus und warum es sich bei der Szene um eine Bewegung handle, die nicht zu unterschätzen sei.
Er spreche über Reichsbürger im generischen Maskulin, da die Reichsbürgerszene zu großen Teilen männlich geprägt sei. Wie auch im Rechtsextremismus, dem die Reichsbürgerbewegung personell als auch ideologisch nahestehe, gäbe es aber auch Frauen, deren Rolle und Funktion innerhalb der Szene auch nicht zu unterschätzen sei und zunehmend auch mehr Beachtung finde.

Das verbindende Element der sehr heterogenen Szene sei, dass die Souveränität des Staates nicht anerkannt werde sowie rassistische, antisemitische und oft rechtsextreme Denkweisen vertreten und verbreitet werden.
Dadurch entstehe ein gemeinsames Feindbild, was trotz der Heterogenität ein oppositionelles Gemeinschaftsgefühl stärke.
Die Ablehnung des Staates äußere sich z.B. dadurch, dass insbesondere deutsche Behörden und ihre Auflagen nicht akzeptiert würden. Dazu würden unterschiedliche, skurrile Argumentationen angeführt wie beispielsweise, die Bundesrepublik besitze keine durch das Volk legitimierte Verfassung, oder die Bundesrepublik sei eine GmbH. Letzteres sei für Reichsbürger beispielsweise dadurch zu belegen, dass der Personalausweis das Wort „Personal“ beinhalte und somit alle Bürger*innen Personal der „BRD GmbH“ seien. Reichsbürger würden daher zunehmend einen Staatsangehörigkeitsausweis, den sogenannten „Gelben Schein“, beantragen.
Unter den Teilnehmenden waren viele Mitarbeitende der Stadt- und Kreisverwaltung sowie der Polizei, die von solchen oder ähnlichen Vorfällen in ihren Behörden berichteten.

Die Anzahl der Reichsbürger ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Das belegt auch der neue Verfassungsschutzbericht von 2022, wonach die Szene in Hessen um 100 Personen auf 1100 angestiegen sei.
Die Reichsbürger-Razzia im Dezember vergangenen Jahres, bei der auch ein Mann aus Wetzlar in Untersuchungshaft genommen wurde, habe gezeigt, dass die Szene zunehmend bewaffnet sei und lange in ihrem Gefahrenpotential unterschätzt wurde. Die Razzia zeige zudem deutlich, dass es Überschneidungen zur AfD gäbe, von der im aktuellen Verfassungsschutzbericht von 2022 als eine Partei mit extremistischem Potential von 10.200 Personen gesprochen wird. Im Hinblick auf die Überschneidungen lässt sich beispielsweise die ehemalige AfD-Abgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann nennen, die bei der Razzia in Untersuchungshaft genommen wurde. Aber auch losgelöst davon komme es immer wieder vor, dass AfD-Parteimitglieder für politische Ämter kandidieren, denen eine Nähe zur Reichsbürger-Szene nachgesagt wird (z.B. in Bad Kreuznach, Kreis Hersfeld-Rotenburg, Heusenstamm).

Mitarbeitenden der Polizei, der Verwaltung oder anderen Behörden riet Oliver Gottwald, Vorfälle mit Reichsbürger immer zu melden, beispielsweise bei der Polizei, einer entsprechenden Stelle beim Ordnungsamt oder auch den DEXT-Fachstellen.
Die Veranstaltung war eine Kooperationsveranstaltung der beiden DEXT-Stellen der Stadt Wetzlar und des Lahn-Dill-Kreises.